Bestrahlungstechnik und -methoden

Wir möchten dem interessierten Leser einen kleinen Einblick in die verschiedenen Teilgebiete der modernen Strahlentherapie geben und einige Fachbegriffe erläutern.

Möglicherweise können wir damit die eine oder andere Frage beantworten und vielleicht vorhandene Ängste oder Vorbehalte abbauen.

Falls Sie individuelle Fragen zur Physik und Technik Ihrer Strahlentherapie haben, bitten Sie Ihren Arzt oder eine MTRA um ein Gespräch mit einem Medizinphysiker unserer Abteilung.

Physikalische Grundlagen

Die Strahlentherapie verwendet – wie der Name schon sagt – „Strahlung“, um bestimmte medizinische Wirkungen, wie z.B. die Zerstörung eines Tumors zu erreichen. Wenn von Strahlung gesprochen wird, denkt man vielleicht zuerst an die für uns sichtbaren Sonnenstrahlen. In der Therapie finden Strahlen mit ähnlichen Eigenschaften Anwendung, deren Energie jedoch um ein Vielfaches höher ist, als die des sichtbaren Lichtes. Auch sind diese Strahlen für unsere Sinnesorgane nicht wahrnehmbar.

Eine immer wieder auftauchende Frage ist, ob noch Strahlung nach Abschaltung des Gerätes „im Körper steckt“. Wir können Sie hier wirklich beruhigen. Es verhält sich bei der Bestrahlung von außen ähnlich wie mit einer Lampe in einem abgedunkelten Raum. Wird die Lampe ausgeschaltet, bleibt auch keine Reststrahlung bestehen, sondern es ist dunkel. Die einzige Ausnahme ist die SEED-Therapie, bei der kleine permanente Strahlenquellen in das betroffene Organ implantiert werden.

Strahlenarten und Eigenschaften

Das Ziel der Therapie besteht darin, die Energie der Strahlung im Tumor zu konzentrieren, um damit eine Zerstörung der Tumorzellen oder eine Hemmung der Tumorausbreitung zu erreichen. Strahlung mit dieser Eigenschaft wird auch als „ionisierende“ Strahlung bezeichnet. Am häufigsten angewendet wird hochenergetische Photonenstrahlung, auch als Röntgenstrahlung bekannt. Ebenfalls sehr verbreitet sind Elektronenstrahlen; seltener werden Protonen- und Teilchenstrahlen angewendet. Jede Strahlenart hat bestimmte physikalische Eigenschaften, die sie für die jeweiligen Anwendungsgebiete hervorheben.

So wirken Elektronen vor allem oberflächlich und sind deshalb für die Behandlung von Hautkrebs besonders geeignet. Das tiefer liegende gesunde Gewebe wird effektiv geschont, da die Elektronen die gesamte Energie bereits an der Oberfläche abgegeben haben.

Photonenstrahlung hingegen ist sehr durchdringungsfähig und daher besonders für die Behandlung von Tumoren im Körperinneren geeignet. Die Haut wird hierbei fast ohne Wechselwirkung durchdrungen. Hautrötungen treten zwar auf, heilen aber nach Therapieabschluss in der Regel komplikationslos aus.

Protonenstrahlung ist aktuell in großer Diskussion und wird derzeit an fünf Standorten in Deutschland angeboten, auch hier in Dresden am Universitätsklinikum. Protonen können ebenfalls tief in den Körper eindringen und geben ihre Energie hierbei gezielt in einem eng begrenzten Gebiet ab. So können tiefer liegende Organe unter Umständen noch besser geschont werden bzw. es ist eine höhere Dosis am Tumor möglich und damit eine bessere Tumorkontrolle. Aufgrund der begrenzten Kapazität der Anlagen ist dieses Verfahren nur dann indiziert, wenn der Tumor unmittelbar an ein wichtiges und strahlenempfindliches Gewebe angrenzt. Auch für die Therapie von Tumoren im Kindesalter gibt diese Therapieform neue Hoffnung, da es hierbei um die Minimierung von Nebenwirkungen geht, die erst nach sehr langer Zeit auftreten können.

Wir stehen in engem Kontakt mit den Kollegen am Universitätsklinikum und würden Sie im Einzelfall an diese Einrichtung vermitteln, wenn wir mit unseren Methoden nicht in der Lage sind, sie adäquat zu behandeln.

Berechnung der Strahlenwirkung

Heutzutage kann man die Energieabgabe der Strahlung in bestimmten Materialien sehr genau messen und anschließend mathematisch modellieren.  Im Zuge der sogenannten Kommissionierung entsteht durch umfangreiche Messungen ein virtuelles Bestrahlungsgerät im Rechner. Anschließend kann die Ausbreitung und Wirkung der Strahlung im menschlichen Körper vorausberechnet werden und unsere Medizinphysiker können eine individuelle Optimierung der Therapie für jeden einzelnen Patienten durchführen.

Links: Elektronen-Linearbeschleuniger (Fa. Varian) für die Strahl-Erzeugung
Rechts: Viel-Lamellen-Kollimator zum individuellen Ausblenden des Strahls

Bestrahlungsplanung

Die Wirkung der Strahlung im Körper kann weder direkt erfasst noch unmittelbar beobachtet werden. Heutzutage ist es jedoch möglich, mit Hilfe komplexer physikalischer Berechnungen die Strahlenwirkung sehr genau zu modellieren. Um den hohen Rechenaufwand überhaupt bewältigen zu können, verfügt unsere Einrichtung über ein Netzwerk der modernsten Computer. So sind für die Optimierung eines VMAT-Bestrahlungsplanes aktuell bis zu 64 Prozessoren gleichzeitig beteiligt, um in vertretbarer Zeit die Dosisverteilung im Patienten berechnen zu können.

Hintergründe

Unter Dosis versteht man den Energieanteil, welchen die Strahlung auf das Gewebe übertragen hat und der letztlich die Wirkung der Strahlung bestimmt. Eine optimale Dosisverteilung würde darin bestehen, dass sämtliche Energie im Tumor abgegeben wird und keine Energie an das umliegende gesunde Gewebe. Dies ist aufgrund der physikalischen Strahleneigenschaften nur in den seltensten Fällen zu erreichen. Im Prozess der Bestrahlungsplanung wird versucht, diesem Optimum so nahe wie möglich zu kommen. Grundlage für die Bestrahlungsplanung ist ein vor der Therapie angefertigtes CT.

Im CT werden zunächst der Tumor und benachbarte Organe konturiert. Hierfür verwenden wir auch weitere diagnostische Untersuchungen, wie z.B. MRT oder PET-CT, welche mit dem Planungs-CT geometrisch exakt überlagert werden.

Im Tumor muss eine bestimmte Dosis erreicht werden, um die Zerstörung der Zellen oder eine Hemmung des Wachstums zu erreichen. Gleichzeitig darf die Dosis in umliegenden Organen eine bestimmte Höhe nicht überschreiten, um die Funktion des Organs zu erhalten.
Auf Grundlage der Dosisberechnung kann das Risiko für das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen bereits vor der eigentlichen Bestrahlung abgeschätzt und minimiert werden.
Je nach Ausdehnung und Lage des Tumors in Bezug zu den umgebenden Organen und der im Tumor zu erreichenden Dosis kommen hierfür verschieden Techniken der Strahlenapplikation zum Einsatz (Konformale RT, IMRT, VMAT, Protonen).

 

Hypopharynx-Tumor im Planungs-CT überlagert mit FDG-PET. Dargestellt ist der Tumor mit Sicherheitsabstand. Die höchste Dosis (orange und gelbe Linie) wird im Tumor und in dessen unmittelbarer Umgebung abgegeben.
Qualitätssicherung der Bestrahlungsplanung

Jeder individuell erstellte Bestrahlungsplan wird in unserer täglichen Konferenz von einem Team aus Ärzten und Medizinphysikern begutachtet und Planvarianten werden vorgestellt. In der gemeinsamen Diskussion wird schließlich der für den jeweiligen Patienten individuell am besten geeignete Bestrahlungsplan ausgewählt.
Die Qualitätssicherung der Bestrahlungsplanung umfasst aber auch die regelmäßige Teilnahme unserer Abteilung an externen Maßnahmen zur Überprüfung der erreichbaren dosimetrischen Genauigkeit. Wir folgen hierbei den Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Strahlentherapie und Onkologie (ESTRO). Im EqualAudit Programm werden sowohl interne Abläufe zertifiziert als auch die Exaktheit der Dosisberechnung durch geeignete Prüfmaßnahmen bestätigt.

Eine Besonderheit an unserer Einrichtung ist die tägliche automatisierte Sicherheitskontrolle jeder einzelnen Bestrahlungsfraktion. Basierend auf den Protokoll-Aufzeichnungen der Bestrahlungsdurchführung wird täglich die jeweils aktuell resultierende Dosisverteilung im Patient berechnet und einer Prüfung unterzogen. Sollten hierbei Abweichungen von der Zielvorgabe festgestellt werden, wird der Bestrahlungsplan entsprechend angepasst.

Dargestellt ist die berechneten Dosis im Planungssystem (TPS) im Vergleich zur applizierten Dosis (Delivered dose) unter Einbeziehung der Protokolldateien des Bestrahlungsgerätes. Sichtbar ist die sehr gute Übereinstimmung. (Software ARIA Modul Mobius 3D – Varian Medical Systems)

Bestrahlungsmethoden

Konformale Strahlentherapie

3-dimensionale konformale Strahlentherapie

Diese Bestrahlungstechnik hatte ihren Durchbruch zu Beginn der 90er Jahre mit der Einführung des Computertomographen (CT) in der Strahlentherapie. Damit war es erstmals möglich, die Bestrahlungsplanung und Dosisberechnung auf der Basis eines räumlich hoch aufgelösten Volumendatensatzes durchzuführen.

Diese Methode bildet die Basis jeder strahlentherapeutischen Behandlung und wird von unserer Abteilung selbstverständlich vorgehalten. Für viele Anwendungsgebiete wurde sie jedoch mittlerweile von den modernen und komplexeren Techniken IMRT und VMAT abgelöst.

Prinzip der 3D konformalen Strahlentherapie

Bei dieser Bestrahlungstechnik werden verschiedene Bestrahlungsfelder aus unterschiedlichen Einstrahlrichtungen festgelegt, um eine optimale Schonung der Risikoorgane zu erreichen. Hierbei wird die Feldform jeweils an die Form des Zielvolumens angepasst und Risikostrukturen werden gezielt ausgeblendet. Dies geschieht in den meisten Fällen mit Hilfe eines Viel-Lamellen-Kollimators (englisch: Multileaf-Collimator – MLC), kann aber auch durch individuell geformte Bleiabsorber erfolgen. Zusätzlich wird noch der Anteil jedes einzelnen Bestrahlungsfeldes an der insgesamt einzustrahlenden Dosis variiert. Durch die Überlagerung der Dosisbeiträge aller Felder entsteht eine sehr eng an die Bestrahlungsregion anliegende konformale Dosisverteilung.

Anwendungsgebiete

In vielen Anwendungsbereichen können mit dieser Technik sehr gute Ergebnisse erreicht werden und ein Grossteil der klinischen Erfahrung der vergangenen Jahre basiert auf dieser Methode. Einschränkungen gibt es vor allem in Situationen, wenn der Tumor von strahlensensiblen Risikoorganen umgeben ist.

Intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT)

Intensity Modulated Radiation Therapy (IMRT)

Ziel jeder Strahlentherapie ist der Eintrag einer möglichst hohen Dosis in den Tumor bei gleichzeitig optimaler Schonung des umliegenden gesunden Gewebes.

Eine besondere Hürde für die Bestrahlungsapplikation stellen Tumoren dar, die von mehreren Risikoorganen umgeben sind oder gar ein Risikoorgan umschließen. Lange Zeit waren solche Bestrahlungsgebiete mit der konformalen Bestrahlungstechnik nicht mit dem Ziel der endgültigen Heilung (kurativ) beherrschbar.

Etwa seit dem Jahr 2000 wird eine Bestrahlungstechnik klinisch angewendet, welche als IMRT oder intensitätsmodulierte Strahlentherapie bezeichnet wird. An unserer Einrichtung wurde diese Technik Ende 2005 etabliert und seither routinemäßig für unsere Patienten eingesetzt. Wir verfügen damit über umfangreiche Erfahrungen hinsichtlich der klinischer Anwendung und der dafür notwendigen technischen Qualitätssicherung.

Prinzip der IMRT-Bestrahlung

Wie in der konformalen Technik wird der Tumor aus verschiedenen Einstrahlrichtungen bestrahlt, jedoch wird nunmehr auch die Strahlintensität innerhalb jedes einzelnen Bestrahlungsfeldes während der Bestrahlung individuell variiert. Mit anderen Worten: die Intensität des Strahls ist nicht mehr gleichmäßig über die gesamte Querschnittsfläche des Bestrahlungsfeldes wie bei der konformalen Technik, sondern variiert von Ort zu Ort. Es entsteht ein „Dosisgebirge“. Die Überlagerung dieser „Dosisgebirge“ im Überschneidungsbereich aller Bestrahlungsfelder ergibt dann wieder eine gleichmäßige Dosisverteilung über das gesamte kompliziert geformte Zielvolumen. Unsere Abteilung setzt das derzeit modernste Verfahren zur Variation der Intensität ein: den dynamischen Multileafkollimator (MLC), dessen einzeln steuerbare Wolfram-Lamellen während der Bestrahlung Teile des Bestrahlungsgebietes abdecken oder freigeben. Auf diese Weise können Risikoorgane selbst dann in hohem Maße geschont werden, wenn sie vom Tumor umschlossen sind.

Verteilung der Dosis über den Querschnitt eines IMRT-Bestrahlungsfeldes. Im rechten Bild ist die Analogie zum Gebirge auf einer Landkarte besser zu erkennen: Rot = hohe Dosis über Gelb und Grün bis Blau = niedrige Dosis. Die Linien gleicher Dosis entsprechen den Höhenlinien auf der Karte.

Räumliche Dosisverteilung eines IMRT- Planes für den Kopf-Hals-Bereich Die Schonung des von Zielvolumen umschlossenen Rückenmarks ist gut zu erkennen. Die vielen gelben Linien markieren die Begrenzung der Bestrahlungsfelder aus verschiedenen Richtungen.

Die Bestrahlungsplanung für IMRT nennt man „inverse Planung“, da im Gegensatz zum konventionellen Vorgehen das gewünschte Ergebnis durch bestimmte vom Arzt festgelegte Randbedingungen vorgegeben wird. So wird beispielsweise festgelegt, welche Zieldosis zur Zerstörung des Tumors benötigt wird und welche Dosis in Risikoorganen maximal auftreten darf, um unerwünschte Nebenwirkungen auszuschließen oder zu reduzieren. Anschließend versucht eine Optimierungs-Rechnung, die real im Patienten erreichbare Dosisverteilung durch gezielte Variation der Strahlintensitäten möglichst nahe an die geforderten Vorgaben anzunähern.

Qualitätssicherung der IMRT

Auch wenn eine IMRT-Bestrahlung viele klinische Vorteile bietet, ist der hohe Zeitaufwand zu berücksichtigen, welcher auch zu einer Verlängerung der Patientenliegezeit gegenüber der konformalen Therapie führt. In Rücksprache mit den Strahlentherapeuten legt der Medizinphysiker die jeweils zur Anwendung kommende Technik fest, um ein Optimum zwischen Liegezeit und Dosisanpassung zu erreichen.

Das gesamte Verfahren ist sehr komplex, so dass vor jeder Bestrahlung sichergestellt werden muss, dass die im Planungsprozess berechnete Dosis auch tatsächlich vom Linearbeschleuniger real appliziert wird. Unsere Abteilung folgt den Empfehlungen der DIN 6875-3 sowie dem Bericht 19 der Deutschen Gesellschaft für medizinische Physik und führt speziell ausgewählte regelmäßige Prüfungen am Bestrahlungsgerät durch.

Komplexe IMRT-Bestrahlungsabläufe werden vor der ersten Anwendung am Patienten mit Hilfe eines geeigneten Meßsystems überprüft. Alternativ validieren wir jede Bestrahlung in einem unabhängigen Computersystem mit einem alternativen Berechnungsverfahren. Dieser Prozess bietet eine hohe Sicherheit für den Patienten und ist Teil unseres klinikinternen Qualitätssicherungs-Systems.

Darstellung der messtechnischen Qualitätssicherung der IMRT mittels EPID Portal-Dosimetrie: Links oben im Bild sichtbar ist die geplante Dosisverteilung eines Bestrahlungsfeldes, rechts die tatsächlich applizierte und mittels EPID gemessene Dosis. Das mittlere Bild zeigt den Vergleich (Gamma-Evaluation 3%, 2mm). Die Übereinstimmung zwischen Messung und Berechnung ist hervorragend und der Bestrahlungsplan kann für die Anwendung am Patienten freigegeben werden. (Software: ARIA – Portal Dosimetry, Varian Medical Systems)
Volumenmodulierte Strahlentherapie (VMAT)

Volumetric Arc Therapy (VMAT)

Diese Bestrahlungstechnik ist eine Weiterentwicklung der statischen intensitätsmodulierten Bestrahlung (IMRT), und wird seit 2008 kommerziell angeboten. Als eine der ersten Kliniken Deutschlands konnten wir diese Technik im Oktober 2010 in die klinische Anwendung überführen. Unsere modernen Bestrahlungsgeräte sind für diese Technik optimiert und so können wir VMAT ausnahmslos für alle Patienten einsetzen, insofern keine Nachteile gegenüber der konformalen Planung oder der IMRT bestehen.

Prinzip der VMAT Bestrahlung

Bei dieser Technik rotiert das Gerät mit einer variablen Geschwindigkeit während des Strahlens kontinuierlich um den Patienten, während sich gleichzeitig die Lamellen des MLC hin und her bewegen. Während der Rotation wird zusätzlich die Strahlintensität variiert oder ganz abgeschaltet, um z.B. sensible Organe besonders zu schonen.

Die Berechnung eines solchen Bestrahlungsplanes folgt den gleichen Prinzipien, wie sie für die IMRT mit feststehenden Strahlrichtungen beschrieben wurden.

Vorteile

Der für jeden Patienten am meisten sichtbare Vorteil der VMAT Bestrahlung liegt im Zeitgewinn. Mit einem Umlauf von 360° um den Patienten, der maximal 2 Minuten dauert, ist die gesamte komplizierte Bestrahlung abgeschlossen. Für eine komplexe Bestrahlung im Kopf-Hals Bereich, die mit herkömmlicher IMRT eine Bestrahlungszeit von etwa 15 Minuten benötigt, werden jetzt mit 2 Rotationen nur noch 4 Minuten gebraucht. Das kommt natürlich den Patienten zugute, die Schwierigkeiten mit längerem Liegen z.B. aufgrund von Luftnot haben.

Eine schnelle Durchführung ist aber auch wichtig bei Tumoren, die sich während der Bestrahlung innerhalb des Körpers bewegen. Ein Beispiel hierfür ist die zeitlich veränderliche Lage der Prostata, bedingt durch die Aktivität benachbarter innerer Organe. Diese Bewegung wird normalerweise durch einen Sicherheitssaum um den Tumor berücksichtigt, welcher bei der VMAT-Technik aufgrund der Schnelligkeit der Bestrahlung reduziert werden kann.

Ein weiterer Vorteil der VMAT-Technik ist die sehr enge Anpassung der Dosis an das zu bestrahlende Tumorvolumen. In vielen Fällen gelingt die Anpassung nochmals deutlich besser, als mit IMRT praktisch realisierbar. Damit kann gesundes Gewebes noch besser geschont werden. Teilsektoren mit dem Ziel, strahlensensible Organe komplett aus dem Strahl herauszuhalten, sind ebenfalls möglich.

Dosisverteilung eines VMAT Bestrahlungsplanes. Die Zieldosis wird optimal im Tumor und Lymphabflussgebiet eingebracht. Risikoorgane wie Harnblase (blau) und Rektum (braun) können gleichzeitig sehr gut aus dem Gebiet der hohen Dosis herausgehalten werden.

Qualitätssicherung der VMAT Bestrahlung

Bei diesem im Vergleich zur IMRT mit festen Strahlrichtungen wesentlich komplexeren Verfahren sind die Anforderungen an eine Qualitätssicherung ebenfalls bedeutend höher. Unsere Einrichtung folgt hierbei internationalen Empfehlungen der IAEA, AAPM sowie natürlich auch der DIN.

Aufbauend auf unserer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet der IMRT führen wir eine patientenbezogene Qualitätskontrolle komplexer Bestrahlungspläne vor der ersten Bestrahlung durch. Wir nutzen hierfür das 3D Dosimeter „ArcCheck“ der Firma Sun Nuclear Cooperation. Hierbei handelt es sich um ein zylinderförmiges Messgerät mit knapp 1400 einzelnen Detektoren. Dieses Messgerät wird einmalig anstelle des Patienten bestrahlt und die in jedem Detektorpunkt gemessene mit der berechneten Dosis verglichen. Alternativ bzw. ergänzend findet auch hier eine Validierung der berechneten Dosisverteilung mit einem unabhängigen Berechnungsverfahren Anwendung.

Ergänzt wird die patientenbezogene Qualitätssicherung durch weitere speziell optimierte Tests an den Bestrahlungsgeräten, welche auf Empfehlungen in aktuellen Veröffentlichungen und eigenen Untersuchungen basieren sowie der beschriebenen täglichen automatisierten Kontrolle.

Darstellung der messtechnischen Qualitätssicherung der VMAT mittels ArcCheck-Dosimetrie: Rechts oben im Bild sichtbar ist die geplante Dosisverteilung des Bestrahlungsplanes in der Detektorebene, links die tatsächlich applizierte und mittels ArcCheck gemessene Dosis. Das mittlere Bild zeigt den Vergleich (Gamma-Evaluation 3%, 3mm), im unteren Anteil ist ein Querprofil dargestellt. Die Übereinstimmung zwischen Messung und Berechnung ist hervorragend und der Bestrahlungsplan kann für die Anwendung am Patienten freigegeben werden. (Software SNC Patient Version 6.2.3, Sun Nuclear Cooperation)
Bildgestützte Strahlentherapie (IGRT)

Image guided Radiotherapy (IGRT)

Unsere modernen Bestrahlungsgeräte bieten höchste Präzision für die Durchführung dieser Technik zur Positionskorrektur und Lagerungsüberwachung während der Therapie. Technisch arbeiten wir hier im Submillimeter-Bereich. Eine herausragende Besonderheit unserer Geräte ist hierbei die Positionierung in 6 Freiheitsgraden, d.h. wir können auch Drehung und Neigung des Tisches an die aktuelle Patientenposition anpassen.

Da eine bessere Positionierung mit Hilfe bildgestützter Verfahren enorme Vorteile besitzt, wenden wir diese Technik ausnahmslos täglich bei allen unseren Patienten an. IGRT stellt eine hohe Anforderung an die Kompetenz der Gesamtabteilung, insbesondere bei hohem Patientenaufkommen. Durch interne und externe Weiterbildungsmaßnahmen stellen wir sicher, dass unser Personal stets adäquat geschult ist und neue Erkenntnisse zeitnah in den klinischen Ablauf überführt werden können. Ein Vier-Augenprinzip für jede Entscheidung ist etablierter Standard, begleitet von einer unabhängigen Kontrolle jeder durchgeführten Positionierung durch ein speziell dafür ausgebildetes Team.

Prinzip der IGRT

Die zur Tumorkontrolle notwendige Dosis wird im Regelfall über mehrere Wochen verteilt in so genannten Fraktionen verabreicht. Im herkömmlichen Therapieprozess wird der Patient bei jeder Bestrahlungssitzung anhand definierter externer Markierungen (z.B. auf der Haut) in Bestrahlungsposition gebracht. Es leuchtet ein, dass hierbei eine gewisse Schwankungsbreite hinsichtlich der erreichbaren Zielgenauigkeit in Kauf genommen werden muss. Dies wird bei der Therapieplanung durch Einführung eines Sicherheitssaumes um den Tumor berücksichtigt, d.h. ein Gebiet, welches größer als der eigentliche Tumor ist, erhält die geplante Zieldosis. Wurde der Sicherheitssaum angemessen gewählt, kann von einer ausreichenden Tumorkontrolle ausgegangen werden.

Nachteile besitzt diese Methode immer dann, wenn sich kritische Organe in unmittelbarer Nachbarschaft zum Tumor befinden. In diesem Fall reicht der tumorbedingte Sicherheitssaum in das kritische Organ hinein, welches damit ebenfalls die Zieldosis erhält. Abhängig von der Art des Organs und dem Anteil der Überlappung können irreversible Schäden entstehen, welche den Behandlungserfolg durch das Ausmaß entstehender Nebenwirkungen in Frage stellen.

Je besser eine tägliche Positionierung gelingt, desto geringer kann der zusätzlich nötige Sicherheitssaum um den Tumor sein. Im Idealfall, d.h. bei absolut korrekter Positionierung, wäre überhaupt kein Sicherheitsabstand notwendig.

Derartig hohe Genauigkeiten bei der täglichen Bestrahlung können nur durch die Anwendung bildgebender Verfahren zur Patientenpositionierung unmittelbar vor jeder einzelnen Fraktion erreicht werden. Genau das versteht man unter bildgestützter Strahlentherapie oder IGRT.

Technische Realisierung

Unsere Bestrahlungsgeräte sind zusätzlich mit einer Röntgenröhre ausgestattet, deren Strahl senkrecht zum hochenergetischen Therapiestrahl ausgerichtet ist. Mit dieser Röntgenröhre und dem zugehörigen Detektor sind Röntgenbilder in diagnostischer Qualität möglich. Für eine bildgestützte Positionierung sind mindestens zwei zueinander senkrechte (orthogonale) Aufnahmen nötig. Die Auswertung der beiden Bilder führt zu einer Korrektur der Tischposition in drei Dimensionen.

Die Röntgenröhre kann durch Rotation um den Patienten auch ein so genanntes Conebeam-CT aufnehmen. Diese CT-Untersuchung gleicht dem Planungs-CT, besitzt jedoch nicht die hohe diagnostische Qualität. Es wird vor allem zur Kontrolle der Lage von Weichteilorganen relativ zum Bestrahlungsgerät herangezogen und zur Verlaufkontrolle des Tumoransprechens während der Therapieserie.

Links das in Strahlrichtung aus dem CT errechnete seitliche Durchleuchtungsbild (Referenzbild) mit eingezeichneten Hilfskonturen, rechts die in Bestrahlungslage mit der Röntgenröhre des Beschleunigers angefertigte Aufnahme aus derselben Richtung. Die Verschiebung der überlagerten Bilder gegeneinander bis sie deckungsgleich sind, ergibt die erforderliche Korrektur der Tischposition.

Anwendungsbeispiel

Unsere Abteilung setzt die bildgestützte Lagerung bei nahezu allen Tumorerkrankungen ein. Als Beispiel sei die bildgestützte Strahlentherapie des Prostatakarzinoms näher erläutert:

Die Prostata ist ein sehr bewegliches Organ und ihre Lage abhängig von Darm und Blasenfüllung (Bild 1). Bei der traditionellen Positionierung nach Anzeichnungen auf der Körperoberfläche musste deshalb ein relativ großer Sicherheitssaum um die Prostata ebenfalls mit der Zieldosis mitbestrahlt werden. In unmittelbarer Nähe zur Prostata liegen jedoch wichtige Organe, die nur eine bestimmte Strahlendosis tolerieren.
Bei der bildgestützten Therapie dieser Erkrankung werden bei Patienten mit primärer Bestrahlung (d. h. unter Verzicht auf eine Operation) kurze Markierungsdrähte, so genannte „Goldmarker“, direkt in die Prostata eingebracht (Bild 2). Damit gelingt es, die genaue Lage und Position der Prostata im Strahlengang sichtbar zu machen.
Die mit diesem Verfahren tägliche hochgenaue Positionierung erlaubt es, die Sicherheitsabstände zum benachbarten Enddarm und zur Harnblase wesentlich zu reduzieren. Deshalb ist es uns möglich, die Zieldosis im Tumor und damit die Heilungswahrscheinlichkeit ohne zusätzliches Risiko für die benachbarten Organe zu erhöhen.
Aber auch bei Patienten, die bereits eine radikale Prostataoperation hatten, kann das Verfahren ohne Marker unter Nutzung der knöchernen Strukturen in der Umgebung des zu bestrahlenden Gebietes angewendet werden (Bild 3).

Bild 1a: Unkorrigierte Position der Prostata im Strahlenfeld bei einem Patienten über mehrere Bestrahlungstage. Es ist sichtbar, dass die Lage der Prostata sehr schwankt, im Extremfall bis zu ±1cm. Um den Tumor sicher zu treffen, müsste also ein Sicherheitssaum von etwa dieser Größenordnung um die Prostata mitbestrahlt werden. (Software ARIA Offline Review, Varian Medical Systems)
Bild 1b: Die verbleibende Abweichung zwischen Soll- und Ist-Position nach durchgeführter IGRT für den gleichen Patienten. An nahezu allen Bestrahlungstagen ist die Abweichung ≤1mm gewesen. Demzufolge kann der Sicherheitssaum um den Tumor wesentlich geringer gewählt werden und strahlensensible Organe in der Nähe (Harnblase und Enddarm) werden besser geschont. (Software ARIA Offline Review, Varian Medical Systems)
Bild 2: Zwei Aufnahmen der Goldmarker aus zueinander senkrechter Richtung. Die exakte Positionierung des Patienten ist bereits erfolgt. Die erwartete Position der Marker aus dem Planungs-CT (rot bzw. grün) stimmt genau mit der aktuellen Position laut Röntgenaufnahmen überein. Die Bestrahlung kann beginnen.
Bild 3: IGRT unter Nutzung zueinander senkrechter Röntgenaufnahmen der knöchernen Strukturen nach erfolgter Positionierung des Patienten. Dargestellt sind die Erwartung aus dem Planung-CT und die aktuellen Aufnahmen des Patienten am Bestrahlungsgerät. Beide Bilderpaare werden in exakte Übereinstimmung gebracht und der Patient anschließend geringfügig neu positioniert. Erst dann wird die Bestrahlung durchgeführt.

Qualitätssicherung der IGRT

Für einen korrekten Ablauf der bildgestützten Strahlentherapie müssen viele technische Komponenten perfekt und mit hoher Genauigkeit funktionieren. Da der überwiegende Anteil unserer Patienten mit dieser Technik bestrahlt wird, prüfen unsere Medizinphysiker die technischen Komponenten mehrfach wöchentlich vor dem Beginn der Patientenbehandlungen mittels spezieller Prüfkörper.

Aber dies allein reicht nicht aus. IGRT stellt hohe Anforderungen an die Prozesse in der gesamten Abteilung, setzt ein hohes fachliches Niveau der MTRA voraus und erwartet ein konzentriertes eigenverantwortliches Arbeiten aller Mitarbeiter. Unser interner Ablauf sieht einen zweistufigen Kontrollmechanismus jeder einzelnen Patientenbestrahlung vor. Jede Positionierung wird von zwei speziell dafür ausgebildeten MTRA durchgeführt. Nach der Bestrahlungsfraktion wird die korrekte Durchführung ein weiteres Mal durch ein unabhängiges MTRA - Team verifiziert und im Problemfall dem verantwortlichen Arzt oder Physiker vorgestellt. Durch diese Maßnahmen können menschliche Fehlentscheidungen, wie sie nun einmal in jeder Routine vorkommen, vermieden bzw. frühzeitig erkannt werden.

Sämtliche Abläufe innerhalb unserer Abteilung unterliegen unserem Qualitätsmanagementsystem und werden regelmäßig durch externe Prüfer evaluiert.

Stereotaktische Bestrahlung (SBRT)

Stereotacitc Body Radiation Therapy (SBRT)

Von einer stereotaktische Bestrahlung oder „Stereotaxie“ spricht man, wenn ein relativ kleiner, klar abgrenzbarer Befund mit einer hohen Einzeldosis in wenigen Fraktionen mit höchster Präzision bestrahlt wird.
Unsere Abteilung bietet die bildgestützte stereotaktische Bestrahlung bei Befunden im Kopf-Hals Bereich. Es handelt sich hierbei vorrangig um die gezielte Behandlung von Metastasen im Hirn aber auch gutartige Gewebsdefekte können mit dieser Therapieform effektiv behandelt werden.

Prinzip der SBRT

Wenn der zu behandelnde Befund sehr nah an strahlensensible Organe heranreicht oder sogar in einem derartigen Organ lokalisiert ist, müssen die Sicherheitssäume um den Tumor nochmals reduziert werden. Die Zieldosis soll möglichst nur im Befund wirken und nicht im umliegenden Gewebe. Physikalisch ist das leider unmöglich, aber man versucht, sich diesem Ideal anzunähern. Was man erreichen möchte, ist ein möglichst steiler Abfall der Dosis am Rand des Tumors – man spricht von einem steilen „Dosisgradienten“. Während der Tumor eine sehr hohe Dosis erhält, ist der Dosisanteil wenige Millimeter entfernt davon im gesunden Gewebe auf ein minimales Maß abgesunken. Das gesunde Gewebe kann Schäden, welche durch diese geringere Dosis eventuell noch auftreten, im Laufe der Zeit reparieren und seine Funktion erhalten. Technisch wird diese Art der Bestrahlung durch eine Überlagerung sehr vieler Einstrahlrichtungen oder durch Rotationsbestrahlungen (VMAT) erreicht. Hierbei wird der Patient wenn notwendig während einer Behandlungsserie auch mehrfach neu relativ zum Bestrahlungsgerät positioniert.
Es leuchtet ein, dass die Zielgenauigkeit für diese Behandlungsform eine noch höhere Bedeutung hat, als bei allen anderen Bestrahlungsmöglichkeiten. Dies beginnt bei der exakten diagnostischen Lokalisation des Befundes und zieht sich durch die gesamte Behandlungskette inklusive Lagerung und Fixierung des Patienten. Unsere Abteilung verwendet speziell für SBRT optimierte Lagerungshilfen, welche eine möglichst reproduzierbare Lage des Patienten unterstützen und Bewegungen auf dem Bestrahlungstisch nahezu ausschließen.
Die Positionierung des Tumors im Therapiestrahl erfolgte traditionell über externe, starr mit dem Patienten verbundene Systeme (daher auch der Name Stereotaxie, von griechisch „stereós“ für „hart, starr“ und táxis „Anordnung, Einrichtung“). In unserer Abteilung wird nach dem Prinzip der bildgestützten Strahlentherapie (IGRT) positioniert. Das System wurde hierfür technisch speziell optimiert, um eine Positioniergenauigkeit von etwa 0,5mm zu erreichen.

Anwendungsbeispiel

Wir möchten die Hintergründe zu dieser Technik am Beispiel der Behandlung des Vestibularisschwannoms, einer gutartigen Gewebsveränderung, erläutern.

Besonders wichtig ist zunächst die genaue Lokalisation dieses Tumors, der benachbarte Organe nicht infiltriert, sondern bedrängt. Dazu muss zusätzlich zum Planungs-CT ein hochauflösendes MRT (Magnetresonanz-Tomogramm) angefertigt werden. Im MRT sind der Befund und der benachbarte Hirnstamm sehr gut erkennbar, im Planungs-CT dagegen nur schwer (Bild 1). MRT und CT werden in der Planungs-Software geometrisch zusammengeführt, man spricht von dem Prozess der „Bildregistrierung“. Nun kann der Arzt den Befund exakt im MRT konturieren und der Physiker die Berechnung und Optimierung der Dosisverteilung im CT vornehmen (Bild 2).

Bild 1: Links der Befund im Planungs-CT, rechts die gleiche Darstellung im 3D-MRT. Nur im MRT sind Tumor und Hirnstamm klar abgrenzbar. Es ist erkennbar, wie der Hirnstamm bereits bedrängt wird.

Bild 2: Dosisverteilung um den Befund und Realisierung eines steilen Gradienten zum benachbarten gesunden Gewebe.

Qualitätssicherung der SBRT

Die Anforderungen an die qualitätssichernden Maßnahmen einer stereotaktischen Bestrahlung gehen noch einmal weit über das hinaus, was für die bildgestützte Strahlentherapie (IGRT) notwendig ist. Die erreichbare Zielgenauigkeit hängt von den Toleranzen jeder einzelnen Komponente im Therapieprozess ab. Diese Parameter müssen quantitativ erfasst und überwacht werden. Hierzu werden ebenfalls Prüfkörper eingesetzt, die anstelle des Patienten die gesamte Behandlungskette durchlaufen. Man kann damit also das korrekte Funktionieren der einzelnen technischen Systeme prüfen und die erreichbare Präzision dokumentieren. Bestimmte Tests werden durch unsere Physiker wöchentlich, andere in größeren Zeitabständen durchgeführt.
Eine SBRT- Behandlung ist vom Ablauf her deutlich komplexer als die anderen hier vorgestellten Techniken. Deshalb wird diese Therapie an unserer Einrichtung nur von einem speziell geschulten Team aus Arzt, Physiker und MTRA durchgeführt. Die Schulungen erfolgten bei der Europäischen Gesellschaft für Strahlentherapie und Onkologie (ESTRO).

Atemgetriggerte Bestrahlung (Gating)

Die Behandlung bewegter Zielgebiete ist eine der großen Herausforderungen der modernen Strahlentherapie. Eine Möglichkeit besteht darin, die Bewegung der Behandlungsregion zu erfassen und die Strahlung nur freizugeben, wenn sich das Zielgebiet an einer vorberechneten Stelle befindet. Die Strahlung wird automatisch unterbrochen, sobald sich das Zielgebiet aus dem Strahl entfernt und gesundes Gewebe ins Strahlenfeld geführt wird. Man nennt dieses Prinzip auch „Gating“, was englisch für ein „Tor“ steht, welches sich öffnet und schließt, also Strahlung „durchlässt“ oder nicht.

In unserer Einrichtung verwenden wir zur Erfassung der Tumorbewegung einen optischen Oberflächen-Scanner der Firma C-RAD in Kombination mit einem modernen sogenannten 4D-CT Scanner (Firma Canon). Die Bewegung der Brustwand wird während des CT Scans kontinuierlich erfasst und kann im Anschluss zur Bewegung des zu bestrahlenden Gebietes korreliert werden.

Wir wenden die atemgetriggerte Bestrahlung aktuell als „Bestrahlung in tiefer Einatmung“ bei linksseitigem Mammakarzinom an (siehe unten); außerdem bei der Bestrahlung von Leber- und Lungenmetastasen abhängig vom klinischen Befund und dem entsprechenden Therapiekonzept.

Bestrahlung in tiefer Einatmung (DIBH – englisch für „Deep Inspiration Breath Hold“)

Diese Technik kann insbesondere bei der Bestrahlung der linksseitigen Brust bzw. Brustwand angewendet werden, um die Dosisbelastung an den benachbarten Risikoorganen weiter abzusenken. Durch die natürliche Bewegung der Brustwand bei Einatmung vergrößert sich bei den meisten Patienten der Abstand zwischen Brustwand und Herz. Aufgrund des größeren Abstandes wird weniger Dosis im Herzen und insbesondere in bestimmten Bereichen der Koronargefäße (RIVA) appliziert. Eine große klinische Studie hat gezeigt, dass mit einer Verringerung der Dosis auch das Risiko einer Herzerkrankung als Spätfolge der Bestrahlung signifikant reduziert werden kann. Da diese Spätfolgen erst nach sehr langer Zeit auftreten können (im Bereich von ca. 20 Jahren) profitieren besonders jüngere Patienten (<60 Jahre) von dieser Technik. Ergänzt werden muss an dieser Stelle, dass das Risiko einer bestrahlungsbedingten Herzerkrankung generell sehr gering ist. Einzelheiten hierzu werden Ihnen im individuellen Aufnahmegespräch bei Ihrem Facharzt mitgeteilt.

Im nachfolgenden Bild sehen Sie, wie sich der Abstand zwischen Herz und Bestrahlungsregion bei tiefer Einatmung vergrößert. Auch der Anteil der bestrahlten Lunge nimmt bei tiefer Einatmung ab.

Gegenüberstellung des Effekts der Bestrahlung bei tiefer Einatmung
Links: Bestrahlung in normaler Atemlage – das Herz und insbesondere der sogenannte RIVA befinden sich in unmittelbarer Nähe der Bestrahlungsregion.
Rechts: Bestrahlung bei tiefer Einatmung – das Herz (und RIVA) liegen weit entfernt von der Bestrahlungsregion.

Nicht für alle Patienten ist eine Bestrahlung in tiefer Einatmung notwendig. In manchen Fällen liegt das Herz bereits bei Normalatmung weit genug vom Bestrahlungsgebiet entfernt, so dass bereits eine ausreichende Schonung gegeben ist. In diesen Fällen wird die Bestrahlung in Normalatmung durchgeführt, da die Bestrahlungssitzung weniger anstrengend ist und in kürzerer Zeit abläuft.

Welche der beiden Techniken für Sie günstiger ist, erfahren Sie zur ersten Bestrahlungssitzung nach erfolgter Bestrahlungsplanung.

Ablauf der Bestrahlung

Bitte schauen Sie sich unseren Film an, in welchem wir den groben Ablauf der Atemanhalte-Technik dargestellt haben. Nach Ihrem Aufnahmegespräch erhalten Sie den Termin für das CT zur Bestrahlungsplanung und eine Übungsanweisung für zu Hause. Sie können in Ruhe trainieren, wie lange Sie die Luft anhalten können, ohne sich zu überfordern. Bitte denken Sie immer daran, dass das Gerät auf Sie reagieren wird und die Strahlung in jedem Fall unterbricht, wenn Sie Luft holen müssen. Eine Zeitspanne von ca. 15 Sekunden angehaltenem Atem reicht vollkommen aus.
Über die Videobrille erhalten Sie Rückmeldung zu Ihrer eigenen Atmung und können die Einatmung während der Bestrahlung genau so dosieren, wie Sie dies am CT getan haben. Vor der Freigabe der Strahlung prüfen wir in jeder Sitzung durch Röntgenaufnahmen noch einmal, ob wirklich alles so positioniert ist, wie wir es berechnet und optimiert haben. Eine Bestrahlungssitzung erfordert zwischen 5 und 10 Phasen, in denen Sie die Luft anhalten.

Video: Ablauf der Atemanhalte-Technik

Dieser Film zeigt den Ablauf der Atemanhalte-Technik am Planungs-CT und am Bestrahlungsgerät.

Brachytherapie/Seed

Unter Brachytherapie versteht man die Bestrahlung mittels umschlossener Strahlenquellen, welche in den Körper des Patienten nahe zum Tumor oder in den Tumor selbst eingebracht werden. Aufgrund der Nähe der Strahlenquelle zum Tumor erhält dieser eine sehr hohe Dosis, die sich mit zunehmendem Abstand rapide verringert. Weiter entfernte Organe sind damit optimal geschont.

Methoden

Man unterscheidet zwei prinzipielle Verfahren:

„Afterloading“-Methode
Die Strahlenquelle wird zeitlich begrenzt über Applikatoren eingebracht und nach durchgeführter Bestrahlung wieder aus dem Patienten entfernt. Diese auch als „Afterloading“ bezeichnete Methode findet vor allem bei gynäkologischen Tumoren Anwendung. Darüber hinaus wird sie in unserer Abteilung auch bei der Behandlung von Karzinomen der Speiseröhre und der Luftröhre eingesetzt.

Seed-Therapie
Bei dem zweiten Verfahren – auch als Seed-Therapie bezeichnet - werden die Strahlenquellen dauerhaft in das kranke Organ implantiert. Zum Einsatz kommen Quellen, speziell Jod-125, deren emittierte Strahlung eine sehr geringe Reichweite besitzt, also die Umgebung des Organs nur wenig belastet. Außerdem sorgen physikalische Zerfallsprozesse für ein natürliches Abklingen der Strahlenintensität, so dass nach einer entsprechenden Zeit nur noch sehr wenig Strahlung freigesetzt wird. Insgesamt wird Anzahl, Verteilung und Intensität der Strahlenquellen so bemessen, dass eine Zerstörung der Tumorzellen bei optimaler Schonung des umliegenden gesunden Gewebes erreicht wird.

Durchführung

Die Afterloading-Therapie findet in einem speziell dafür ausgestatteten Behandlungsraum in unserer Einrichtung statt und wird in der Regel an ein bis zwei Terminen pro Woche angeboten.

In Zusammenarbeit mit der Urologischen Klinik und dem Institut für ambulante Prostatatherapie Berlin (Dr. Kahmann, Dr. Henkel) wird die Seed-Therapie in unserer Abteilung bei der Behandlung des Prostatakarzinoms eingesetzt.

Röntgenbild der Prostata mit implantierten radioaktiven Seeds (Silberstäbchen mit aufgebrachtem Jod-125)
Röntgentherapie

Diese auch als Entzündungsbestrahlung bezeichnete Therapie dient vorwiegend der Strahlenbehandlung gutartiger Erkrankungen. Es steht ein spezielles Röntgengerät zur Verfügung, mit dem eine Schmerzbestrahlung durchgeführt werden kann. Die Röntgenstrahlung dringt in das kranke Gewebe ein und entfaltet ihre Wirkung über ein Zurückdrängen der Entzündungsvorgänge. Die Methode ist wirksam bei Fersenspornen, bestimmten Schultererkrankungen, Verschleißerscheinungen z.B. an der Halswirbelsäule, der Kniegelenke, des Daumensattelgelenkes usw.

Die hierbei eingesetzten geringen Dosen werden mit Röhrenspannungen bis 150 kV in der Regel aus ein bis zwei Richtungen appliziert. Der Arzt legt die Bestrahlungsregion fest, die am Gerät mit Hilfe verschiedener Tuben eingegrenzt wird. Dabei wird der Tubus direkt auf das zu behandelnde Gebiet aufgesetzt. Wenn notwendig, kann das Bestrahlungsgebiet durch Auflage von Bleiabschirmungen weiter individuell angepasst werden.

Die Behandlung wird im Allgemeinen sehr gut vertragen und kann bei Bedarf wiederholt werden.

Typische Schmerzbestrahlung. Assistentin setzt Tubus am Patienten an